Wir hatten das große Glück, an einer informierenden Führung am Tegeler Fließ in Begleitung von Manfred Krauß teilzunehmen. Als Diplombiologe und Mitglied im Landesvorstand des BUND Berlin klärte er uns über den aktuellen Zustand und das Potential des Landschaftsschutzgebiets Tegeler Fließtal auf. Die folgenden Informationen beruhen auf den Inhalten der Führung.
Die Gebiete am Tegeler Fließ, links und rechts von der Egidybrücke, zeigen deutliche Unterschiede im Vegetationsbild.
Beide Teilflächen gehören als Wiesen zu den Landschaften, die durch anthropogene Einflüsse entstanden sind. Erst die Mahd und Entfernung von Gehölzen bewirkte, dass eine für uns heute typische Wiesenlandschaft entstehen konnte. Eine ähnliche Wirkung wird durch die Beweidung mit Wasserbüffeln erzielt, auch sie wirken der Verbuschung entgegen. Demzufolge bestehen Wiesen aus Pflanzenarten, die Mahd und Verbiss vertragen. Sie besitzen ein großes Wurzelsystem und können sofort nach dem Abfressen durch die Büffel nachtreiben, welches eine außerordentliche Anpassung der Wiesenpflanzen an die Beweidung und Mahd darstellt.
Im Fließtal gibt es zahlreiche Pflanzenarten, jedoch werden nicht alle von den Wasserbüffeln gefressen, denn obwohl die Büffel in ihrer Nahrungswahl recht anspruchslos sind, haben sie dennoch bestimmte Vorlieben. So wird die gelb blühende Wiesenraute, die für Überschwemmungsgebiete charakteristisch ist und auf der Roten Liste steht, beispielsweise nicht gefressen. Andere Pflanzen hingegen werden nur zu bestimmten Jahreszeiten aufgenommen, so werden z.B. die Blätter der gelb blühende Schwertlilie im Frühjahr verschmäht, im Herbst aber gefressen.
Die Büffel fressen in der Regel zuerst die schmackhafteren Süßgräser, wobei diese bis zum Erdboden abgefressen werden. Die abgefressenen Stellen sind mit einem genauen Blick auf die Weide gut zu erkennen und die Fläche erscheint in der Gesamtbetrachtung unregelmäßiger als nach einer akkuraten Mahd.
Aber auch Seggen dominieren, als an feuchte Standorte angepasste Pflanzen, einen Großteil der Teilfläche 2, wobei die Schlanksegge als besonders häufige Art vorkommt. Seggen werden allerdings nur im oberen, weicheren Bereich abgefressen und der untere harte Rest verbleibt. Generell bleiben weniger schmackhafte Bestände zunächst bestehen, werden aber im Laufe des Jahres auch abgefressen, da sich den Wasserbüffeln im Herbst und Winter kein so üppiges Nahrungsangebot mehr bietet.
Da die Wasserbüffel im Tegeler Fließ im Winter jedoch nicht auf der Weide verbleiben, sondern in Unterständen untergebracht werden, bleiben die restlichen Pflanzenbestände bestehen, obwohl es ökologisch sinnvoll wäre, auch diese Reste von den Büffeln abfressen zu lassen.
Jedoch würden sie, aufgrund der natürlichen Zehrung ihrer Fettreserven im Laufe des Winters, im Frühjahr mager wirken, womit eine mögliche Diskussion über Tierquälerei aufkommen könnte, die aber eigentlich unberechtigt wäre, da die Gewichtsreduktion ein natürlicher Nebeneffekt der Überwinterung ist. Würde man die Wasserbüffel jedoch im Fließ überwintern lassen und für Fütterung sorgen, so wäre dies nicht nur mit größerem Aufwand sondern auch mit zusätzlichem Nährstoffeintrag in die Naturlandschaft verbunden und somit kontraproduktiv. Demnach bleibt es dabei, dass die Herde auf dem Hof von Familie Querhammer überwintert.
Es bleibt jedoch außer Frage, dass die Beweidung das restliche Jahr über in jedem Fall notwendig ist. Das wird vor allem deutlich, wenn man die Teilfläche 1, links der Egidybrücke, betrachtet. Wohin man blickt, sieht man Gehölzaufwuchs, insbesondere Strauchweidengebüsche und eine Pflanzengesellschaft, in der Schilf dominiert. Dadurch werden die typischen Wiesenarten verdrängt.
Auf der Büffelweide hingegen sind große Schilfbestände nicht zu finden, da diese keine Mahd vertragen. Jedoch sind auf beiden Flächen tote Schwarzerlen zu sehen.
Es besteht die Annahme, dass diese Erlen von einem Pilz befallen sind, gegen den sie keine Abwehrkräfte besitzen. Dieser wurde durch den Befall von Erlensplintkäfern eingetragen. Dadurch, dass die Käfer zur Eiablage Gänge in das Baumholz bohren und somit auch die Leitgefäße verstopfen kommt es zum Absterben dieser Bäume. Alte, kranke Bäume sterben ab, was zu mehr Lichteinfall am Boden führt, sodass junge Bäume diesen Zustand nutzen können um aufzuwachsen. Dadurch dringen auch Strauchweiden immer weiter in die Fläche vor. Es wird deutlich, dass es ohne Mahd zu einer weiteren Verbuschung kommen und schließlich ein Wald entstehen würde.
Jedoch ist dieses Problem vor allem in den letzten 30 -40 Jahren zum Ausdruck gekommen, denn die Landschaft hat sich deutlich verändert. In diesem Zeitraum wurde die frühere landwirtschaftliche Nutzung der Wiesen aufgegeben. Luftbilder vom Tegeler Fließ aus den fünfziger Jahren zeigen, dass das Fließ früher baumfrei war. Der Rückblick zeigt, dass eine Landschaft nicht statisch ist sondern sich stetig ändert.
Heute liegt die zukünftige Entwicklung des Tegeler Fließtals als offen zu haltendes Landschaftsschutzgebiet in der Hand des Bezirksamtes Reinickendorf.
Erkennbar ist auch, dass auf den anderen Teilflächen ein Handlungsbedarf besteht. Dort befindet sich zwar bereits ein Zaun, jedoch sind keine Büffel zu sehen. Augenscheinlich sind derzeit für die großen verbuschten Flächen nicht genügend Weidetiere vorhanden. Bei mehr Weidetieren hätte man die gezäunten Flächen auch noch mehr ausweiten können. Das Problem liegt hierbei, wie so oft, bei den fehlenden finanziellen Mitteln. Es werden daher größere Bemühungen vom Bezirksamt gewünscht, um in den Landschutzgebieten eine ausreichende Pflege durchführen zu können.
Auch besteht in diesem Zusammenhang das Problem, dass zahlreiche private Grundstücksbesitzer entlang des Fließtals ihren Gartenabfall wie Rasenschnitt, Äste, aber auch Pflanztöpfe und Blumenzwiebeln etc. in den Naturraum entsorgen und sich dabei oft nicht bewusst sind, dass sie dabei eine Ordnungswidrigkeit begehen. Gartenabfälle gehören auf den Kompost und nicht in die freie Natur. Alle Leser, die dahingehend weiteren Informationsbedarf haben, sollten in der Schutzgebietsverordnung nachschlagen. Vielleicht könnte auch das Ordnungsamt besser kontrollieren.
Weiterhin wäre es zum Erleben des Landschaftsbilds im Fließtal schön, wenn die Gehölze entlang des Wanderwegs mehr aufgelichtet werden würden, um einen besseren Einblick in die Wiesen zu ermöglichen. Leider sind die Wegränder jedoch von großen Baumgruppen geprägt und die Sicht auf das Landschaftschutzgebiet ist in großen Teilen versperrt.
Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum so viele Menschen unerlaubt die Wege entlang des Zauns nutzen, statt die ausgewiesenen Wanderwege zu begehen. Demnach besteht auch hinsichtlich dieses Aspekts Handlungsbedarf. Vielleicht können diese Punkte zukünftig auch berücksichtigt werden.
Unabhängig von einigen Defiziten sollte man aber auch auf das schauen, was durch die Beweidung auf der Teilfläche 2 bereits sehr positiv in Gang gesetzt wurde.
Der Verbuschung wird effektiv entgegengewirkt und die Artenvielfalt gefördert. Durch Suhlen im Bereich des Fließgewässers finden so unter anderem Frösche einen geeigneten Lebensraum, wie man nachts lautstark hören kann. Dass die Wasserbüffel zufällig Nester zerstören oder Arten verdrängen ist nicht anzunehmen.
Jedoch muss auch die Wasserbüffelherde stets kontrolliert werden.
Ein wichtiger Faktor im Hinblick auf die Beweidungsintensität ist dabei die Anzahl der Tiere. Es gilt: maximal eine Großvieheinheit, d.h. einen Wasserbüffel, pro Hektar weiden zu lassen. Im Fließtal ist diese Zahl deutlich unter dem Maximalwert.
Die Wasserbüffelherde wird im Laufe des Jahres auch Nachwuchs bekommen. Mit den weiblichen Tieren werden dann neue Herden aufgebaut, die meisten jungen Bullen werden jedoch nach 2- 3 Jahren geschlachtet und ihr Fleisch ab Hof verkauft. Das hängt damit zusammen, dass es bei Jungtieren bezüglich der Rangordnung meist Unruhen gibt, was für ein Beweidungsprojekt und Landwirte ungünstig ist. Die Familie Querhammer hat die Erlaubnis, die zu schlachtenden Tiere selbst auf Ihrem Hof auf der Weide zu töten. Damit erspart man den Wasserbüffeln den Stress, den sie bei einem alternativen Transport zum Schlachthof erleben würden. Schließlich verbleibt ein Bulle in der Herde, der zugleich das Leittier ist.
All der, die Wasserbüffel betreffende, Aufwand ist in jedem Fall kostengünstiger als eine regelmäßige Mahd, die durchaus 1000-3000€ pro Hektar kosten kann, wenn man das Mähgut entsorgen, muss.
Berlin hat den Vorteil der Beweidung bereits erkannt, sodass mehr als 10 Projekte in Naturgebieten schon vielversprechende Ergebnisse geliefert haben. Nicht nur ist die Beweidung finanziell attraktiver für die Bezirksämter, sie wird auch von der Bevölkerung als positiv eingestuft.
Dabei werden nicht nur Wasserbüffel, sondern in anderen Projekten unter anderem auch Schafe, Heckrinder oder Pferde eingesetzt. Obwohl Wasserbüffel natürlich durch ihre besonders gute Anpassung an Feuchtgebiete und ihre wenig anspruchsvolle Nahrungswahl für das Tegeler Fließtal besonders geeignet sind, könnte man durchaus auch alternative Gras fressende Tiere einsetzen und somit die gleichzeitige Beweidung der Teilfläche 1 in Erwägung ziehen.
Somit wurden mit der Beweidung auf der Teilfläche 2 die ersten Schritte getan, um den Schutz des Naturraums Tegeler Fließtal zu gewährleisten. Ob zukünftig jedoch noch weitere Maßnahmen ergriffen werden bleibt offen, und um eine zuverlässige Prognose bezüglich der weiteren Entwicklung der Landschaft im Tegeler Fließtal zu machen bedarf es ebenfalls noch einige Jahre.
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